Vorwort

Es ist spät. Sehr spät. Viele Erlebnisse der Jahre 1942- 49 sind in Vergessenheit geraten. Namen, Vorgänge, Details entschwanden der Erinnerung. Dennoch: Wichtige Geschehnisse blieben unauslöschlich ins Gedächtnis eingeprägt. Während der R.A.D.- (Reichsarbeitsdienst-) und der Wehrmachtszeit führte ich Tagebuch. Ich übergab es am letzten Urlaubstag (Januar 1944) vorahnungsvoll meiner Mutter, ehe ich wieder an die Front musste. Sie bewahrte es bis zu meiner Heimkehr (1949) auf. Die von mir im Einsatz belichteten Foto-Filme ließ sie entwickeln, verbarg Bilder und Negative vor amerikanischen und kurz danach vor russischen Soldaten, die 1945 das Dorf Schönbach (Kreis Grimma) besetzten und in den Wohnungen nach kleinen Souvenirs und großen Nazis suchten. So ist es mir möglich, über die „uniformierte Zeit" in Wort und Bild zu berichten. Das Kapitel „Reichsarbeitsdienst" dürfte für viele Leser besonders interessant sein, weil es darüber meines Wissens in dieser Ausführlichkeit bisher noch keine Veröffentlichungen gab. In russischer Kriegsgefangenschaft waren Aufzeichnungen - sofern man überhaupt an einen Bleistift herankam - strengstens untersagt. Foto-Aufnahmen herzustellen war natürlich unmöglich. Nach meiner Rückkehr im Herbst 1949 schrieb ich in Stichworten Erlebnisse der Gefangenschaft auf.

1993 veröffentlichten hiesige Regionalzeitungen zum ersten Male einige meiner Aufzeichnungen. Daraufhin empfahlen Freunde, das Erlebte in einem Buch zusammenzufassen. Im August 1998 begann ich. Nun liegt es vor. Um die Authentizität der Tagebuch- Eintragungen zu wahren, wurden nur wenige spätere Erkenntnisse hinzugefügt. Dabei flossen Erinnerungen der Kameraden Henry Heinicke, Heinz Krieger (beide Colditz) sowie Achim Kunze (Erlln) ein.

Den dritten Abschnitt „In russischer Gefangenschaft" vervollständigten Aussagen, Korrespondenzen und Skizzen ehemaliger Kriegsgefangener, die sich in den Lagern der Stadt Asbest (Sibirien) befanden. Mit ihnen stehe ich nach einer Suchmeldung in der Zeitschrift DER HEIMKEHRER seit Oktober 1998 in Verbindung.

Ich danke allen, die das Vorhaben unterstützten. Möge das Buch ein wenig beitragen, kommenden Generationen das (eigentlich unbeschreibliche) Leid eines Krieges zu ersparen. Als Mahnung. Dafür sollte es auch jetzt, fast 60 Jahre danach, nicht zu spät sein.

Wolfgang Stadler, Oktober 2000


zurück